Montag, 11. Juli 2005.
Wirtschafts-und Sozialrat der Vereinten Nationen
Zustellung
ALLGEMEIN
E/CN.4/2003/79/Add.2 27. Januar 2003
Original: ENGLISCH UND FRANZÖSISCH
KOMMISSION DER MENSCHENRECHTE Neunundfünfzigste Tagung, Punkt 13 der vorläufigen Tagesordnung
KINDERRECHTE
Bericht von Herrn Juan Miguel Petit, Sonderberichterstatter, über Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie gemäß der Resolution 2002/92 der Kommission der Menschenrechte.
Zusatz
Vorbemerkung auf die Delegation in Frankreich (25.-29. November 2002)*
Besuch in Frankreich, vom 25. bis 29. November 2002, der Sonderberichterstatter über den Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie.
Vorbemerkung
1. Der Sonderberichterstatter Juan Miguel Petit hat sich auf Einladung der französischen Regierung nach Frankreich begeben (Paris, Lyon und Saint-Étienne). Er wollte den Besuch abstatten, nachdem er Informationen über eine bestimmte Anzahl französischer Kinder erhalten hatte, die Opfer von Pädophilie und Pornografie geworden sind. Er hatte auch Informationen über die Bemühungen erhalten, die Frankreich einsetzte, um sich dem wachsenden Problem von Kinderhandel und Kinderprostitution zu stellen. Der Sonderberichterstatter begrüßt den sehr hohen Grad an Kooperation und Unterstützung, die er während seiner Delegation erhalten hat und möchte der französischen Regierung dafür danken.
2. Während seiner Delegation traf der Sonderberichterstatter den Familienminister, den Botschafter für Menschenrechte, Vertreter des Außenministeriums, des Justizministeriums und des Sozial-, Arbeits- und Solidaritätsministeriums, den Präsidenten des Jugendgerichts, den Präsidenten des Landgerichts, den Ombudsmann der Kinder, der Polizei des Jugendamtes und des Amtes der Ahndung des Menschenhandels, das französische Komitee für UNICEF und den Vorsitzenden der Sub-Kommission „Die Rechte der Kinder“ der nationalen Beratungskommission für Menschenrechte. Er hat auch ein Zentrum für Kinder in Chambon (Saint-Étienne) besucht und sich mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und Akademikern, die sich mit relevanten Themen beschäftigen, sowie mit Mitgliedern von Interpol in Lyon getroffen. Er hat sich außerdem mit Vertretern der französischen Medien unterhalten.
3. Der vollständige Bericht der Delegation des Sonderberichterstatters in Frankreich wird im Sommer 2003 vorliegen und wird der Kommission für Menschenrechte in seiner 60. Sitzung im Jahr 2004 vorgestellt.
4. Nachfolgend befinden sich die Feststellungen, Schlussfolgerungen und vorläufige Empfehlungen des Sonderberichterstatters.
Über den Kinderhandel
5. Einige Kinder reisen nach Frankreich ein oder reisen durch dieses Land, bevor sie andere Ziele erreichen, um sich dem Diebstahl,der Bettelei und der Prostitution hinzugeben. Viele von ihnen sind Opfer von Menschenhandel, während andere freiwillig reisen – einige fallen später in die Menschenhandelsnetze. Die Mehrheit dieser Kinder kommt aus Osteuropa – insbesondere aus Rumänien und Westafrika.
6. Die französische Regierung setzt sich für die Zusammenarbeit mit den Regierungen der Herkunftsländer der Kinder ein. Gute kooperative Beziehungen wurden mit den rumänischen Behörden eingerichtet und die Polizeikräfte der beiden Länder arbeiten zusammen, um den Schutz jedes zurückgeschickten Kindes in Rumänien sicherzustellen.
7. Im Hinblick auf die internationale Adoption werden in Frankreich etwa 3.000 Kinder pro Jahr adoptiert. Das Verfahren für diese Adoptionen ist strenger geworden, in Übereinstimmung mit den von Frankreich angenommenen Verpflichtungen nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen und der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption. Frankreich scheint nicht von dem Phänomen des Kinderhandels durch Adoption betroffen zu sein.
Über Kinderprostitution
8. Es scheint, dass Prostitution rasant ansteigt. Doch ein regelmäßiger Einsatz von Minderjährigen ist ein relativ neues Phänomen und es wurde eine neue Gesetzgebung angenommen, um Kunden von Kinderprostituierten zu verhaften. Der Sonderberichterstatter begrüßt die Bemühungen der französischen Regierung, welche es unterlässt, die betroffenen Kinder zu verhaften, und erkennt die Schwierigkeiten der Regierung, solche Kinder vor einem Rückfall in die Prostitution zu schützen.
9. Viele ausländische Kinder werden in die Prostitution hineingezogen. Die meisten minderjährigen Prostituierten stehen unter der Kontrolle von Zuhältern, von denen einige im Ausland leben, wo sie die Prostitution per Handy steuern, in der Regel mit einer älteren Kind, um die jungen Opfer zu überwachen.
10. Bezüglich des pädophilen Sextourismus trifft die französische Regierung Maßnahmen zur Bekämpfung solcher von französischen Staatsbürgern im Ausland begangenen Straftaten. Es ist eine Gesetzgebung mit extraterritorialer Anwendung angenommen worden, um die Chancen der Festnahme der Täter solcher Verbrechen zu erhöhen und diese vor Gericht zu bringen. Alle Vertreter der französischen Regierung im Ausland wurden angewiesen, mit der örtlichen Polizei in solchen Fällen zusammenzuarbeiten.
Über Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch an Kindern
11. Der Sonderberichterstatter hat Informationen erhalten, nach denen die Erstellung von pornografischem Material mit französischen Kindern oft mit sexuellem Missbrauch von Kindern innerhalb der Wohnung verbunden war. Er hat Vorwürfe empfangen, dass Verwandte und Freunde der Familie sexuellen Missbrauch an Kindern begehen und manchmal pornografisches Material aus diesen Handlungen erstellten.
12. Der Sonderberichterstatter wurde von der Existenz einer CD-ROM mit 8.000 pornografischen Bildern und einer CD-ROM namens „Zandvoort“, nach der niederländischen Stadt benannt, in der es entdeckt wurde, informiert. Eine bestimmte Anzahl französischer Eltern habe Bilder ihrer Kinder gesehen. Die französischen Behörden haben die CD-ROM geprüft und an die Behörden anderer Länder, die ihrer Meinung nach beteiligt waren, weitergeleitet, aber haben daraus geschlossen, dass diese Bilder aus den 70er Jahren veraltet waren. Allerdings stellen einige Eltern diese Schlussfolgerung in Frage, weil einige der Fotos Beweise enthielten, dass sie vor kurzem aufgenommen worden seien. Die CD-ROM wurde nicht offiziell an Interpol eingereicht, um eine Einsichtname von Experten und einen Vergleich mit den in einer Datenbank gespeicherten Bildern durchzuführen. Dies hätte wahrscheinlich dazu beigetragen, das Datum dieser Fotoaufnahmen festzusetzen.
13. Der Sonderberichterstatter berücksichtigt nicht, dass sexueller Missbrauch an Kindern ein Phänomen ist, das häufiger in Frankreich als in anderen europäischen Ländern auftritt. Es zeigt sich jedoch, dass viele Menschen mit einer Verantwortung für den Schutz der Kinderrechte, insbesondere in der Justiz, auch weiterhin die Existenz und das Ausmaß dieses Phänomens leugnen.
14. Menschen, die Fälle von Kindesmissbrauch vermuten und melden, können durch Lüge und Manipulation der betroffenen Kinder angeklagt werden und gehen das Risiko der Strafverfolgung oder verwaltungsrechtliche Sanktionen wegen Verleumdung ein, wenn ihre Behauptungen nicht mit der Strafurteilung des mutmaßlichen Täters der Misshandlungen verfolgt werden können. Insbesondere setzen sich die Angehörigen der Gesundheitsberufe einer Gefahr in diesem Bereich aus und es gibt keine Beweise, dass die Ärzte die Hilfe und die Unterstützung der französischen Ärztekammer beziehen.
15. In einer zunehmenden Anzahl von Fällen entscheidet ein getrennt lebender Elternteil, meist die Mutter, das Kind oder die Kinder ins Ausland mitzunehmen anstatt die Entscheidungen eines Gerichtshofs, die das Umgangsrecht oder das Sorgerecht zum mutmaßlichen Täter der Misshandlung gewährt, abzuwarten. Dies kann wiederum das Kind weiterem Missbrauch aussetzen. Es kam sogar vor, dass Richter und Anwälte, die die Schwächen der Justiz kennen, inoffiziell einigen Eltern dazu rieten, dies zu tun. Diese Eltern stehen deshalb unter Androhung strafrechtlicher Verfolgung für ihr Handeln, sowohl in Frankreich als auch in den Ländern, in die sie gehen.
16. Der Mangel an Ressourcen, Ausbildung und Spezialisierung von Richtern und Juristen, die sich mit Fällen von sexuellem Missbrauch an Kindern beschäftigen, zeigt, dass die Rechte des in Gerichtsverfahren involvierten Kindes manchmal nicht ausreichend geschützt sind. Daraus folgt, dass die betroffenen Kinder oft weiter Misshandlung erleiden.
17. Es ist zwar möglich, dass falsche Behauptungen des sexuellen Missbrauchs an Kindern in einem Rechtsstreit um das Sorgerecht des Kindes vorgenommen wurden. Doch der Sonderberichterstatter konnte nach Prüfung der Beweislage für die Angelegenheiten, die zu seiner Kenntnis gebracht wurden, schlieβen, dass diese Behauptungen ernst und begründet waren und dass nicht im Interesse des Kindes gehandelt wurde.
18. In Zivilverfahren um das Sorgerecht für ein Kind hat das Kind keinen automatischen Anspruch gehört zu werden. Obwohl es bei den Zivilgerichten im Ermessen des vorsitzenden Richters liegt, das Kind anzuhören, wird das Kind fast nie angehört.
19. Wenn Strafverfahren gegen die Täter des Missbrauchs eingeleitet sind, sollen Zivilgerichte eigentlich keine Entscheidungen über das Sorgerecht oder das Umgangsrecht treffen, bis das Strafverfahren beendet ist. In der Praxis jedoch wird diese Vorschrift nicht eingehalten, was zu einer Situation führt, in der das Kind gezwungen ist, oft unbeaufsichtigt, mit einer Person Zeit zu verbringen, die unter strafrechtlicher Ermittlungen wegen Missbrauchs gegen ihn oder sie steht.
Empfehlungen
20. Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um mit den Behörden aller anderen wichtigen Herkunftsländer der betroffenen Kinder die gleichen kooperativen Beziehungen herzustellen, die sich mit den rumänischen Behörden etabliert haben.
21. Der Artikel 12 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, der das Recht des Kindes, seine Wünsche und Meinungen auszudrücken, gewährleistet und insbesondere „die Möglichkeit in einem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, das das Kind betrifft, gehört zu werden“ respektiert werden sollte. Der Sonderberichterstatter versteht die Bedeutung der Vermeidung der Situation, in der ein Kind gezwungen ist, Vorwürfe mehrmals zu wiederholen, aber es ist wichtiger, dass sie ernst genommen und geglaubt werden, wenn sie von Missbrauch sprechen.
22. Gründliche und unparteiische Ermittlungen müssen gegen die mutmaßlichen Täter des Missbrauchs durchgeführt werden, insbesondere, wenn medizinische Untersuchungen, Auswertungen von Psychologen und Sozialarbeitern die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs untermauern.
23. Die französische Regierung sollte die CD-ROM „Zandvoort“ an Interpol geben, zur Überprüfung und Bestätigung des Alters der Bilder, die darin enthalten sind.
24. Angesichts der enthüllten Zahl der Fälle, in denen ein schwerer Justizirrtum begangen wird, für Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, und angesichts derjenigen, die sie zu schützen versuchen, wäre es gut, wenn eine unabhängige Stelle, vorzugsweise die National Consultative Commission on Human Rights, eine dringende Untersuchung der gegenwärtigen Situation führt.
Angesichts der Zahl der Fälle, in denen es eine schwerwiegende Verletzung der Gerechtigkeit für Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, und angesichts derjenigen, die versuchen, sie zu schützen scheinen, sollte eine unabhängige Behörde, im Idealfall die Nationale Menschenrechtskommission, eine dringende Untersuchung der aktuelle Situation durchführen.
25. Der Kinderombudsmann sollte mit ausreichend personellen und materiellen Ressourcen ausgestattet werden, damit er Beschwerden empfangen kann und Ermittlungen durchführen kann, wenn es Anzeichen des Versagens der Justiz über die Rechte des Kindes gibt.
26. Ausreichende Ressourcen müssen dem Justizsystem zugeteilt werden, um Schulungen über die Kinderrechte und geeignete Folgemaβnahmen der Fälle zu ermöglichen.
27. Wenn Strafverfahren gegen die Täter des Missbrauchs eingeleitet sind, sollten die Zivilgerichte nicht über das Sorgerecht oder Umgangsrecht urteilen, bevor das Strafverfahren abgeschlossen ist. In der Zwischenzeit sollte der angebliche Täter der Misshandlungen nur unter ständiger Aufsicht Zugang zum Kind haben.
28. Der Rat des französischen Ärztekammer muss dringend seine Verfahren überprüfen, um die Ärzte, die einen Verdacht des Kindesmissbrauchs hegen, zu unterstützen, anstatt sie zu verurteilen.
Link zum Originalbericht auf Englisch: